Nach meiner Yogalehrer-Ausbildung hab ich erst mal ganz lange gar nicht unterrichtet bzw. nur mal sporadisch engen Freunden eine Stunde gegeben. Irgendwie hab ich mich einfach noch nicht bereit gefühlt für die große weite Yogawelt und ich wollte das alles ja nochmal “sacken lassen” und “vertiefen”. Wie immer also um keine Ausrede verlegen. Sich selbst etwas vormachen, anstatt den Ursachen auf den Grund zu gehen, ist halt viel bequemer. In Wirklichkeit hatte ich nämlich einfach nur Angst, zu Unterrichten. Zu wenig Yoga-Erfahrung, zu jung, zu ungelenkig, mir fielen viele Gründe ein, warum ich einfach nicht geeignet war um das Gelernte auch umzusetzen.
Die erste eigene Yogastunde: Augen zu und durch
Es hat fast ein Jahr gedauert bis ich eingesehen habe, dass ich es einfach mal machen sollte, anstatt mich ständig weiter zu drücken. Vor allem motiviert hat mich, dass ich mit Peking in einer so riesigen Stadt wohne, mit viel Chaos und Hektik, wo es doch wundervoll wäre, wenn ich ein paar Leuten etwas Gutes tun könnte. Schließlich hatte ich am eigenen Leib erfahren, wie viel Ruhe und Stabilität eine regelmäßige Praxis bringt.
Bei meiner ersten Stunde kamen dann so ca. 8 Leute. Ich war mega nervös, vorher, mittendrin und hinterher auch noch. Besonders zufrieden war ich nicht, doch anstatt aufzugeben, hab ich immer weiter gemacht, verschiedene Sachen ausprobiert und mittlerweile kann ich sagen, dass es mir total viel Spaß macht, Yoga mit lieben Menschen zu teilen und so ein Stück zu einer schöneren und ausgeglicheneren Welt beizutragen.
Darf man mit kurzen Hamstrings überhaupt Yoga unterrichten?
Ich finde es wirklich wichtig, dass man als Yoga-Lehrerin auch selbst ständig weiter lernt, viel liest, neues ausprobiert und vor allem Stunden bei anderen Lehrern nimmt. Ich lasse mich immer total gerne von anderen inspirieren bei der Gestaltung der Stunden, gucke mir viel ab und lerne dadurch super viel. Doch in den letzten Monaten war ich bei so vielen unterschiedlichen Lehrern mit den verschiedensten Stilen, so dass es mich kürzlich in eine kurze aber tiefe Yoga-Krise gestürzt hat.
Plötzlich hab ich irgendwie alles, was ich bisher so gemacht habe, in Frage gestellt. Ich hatte Selbstzweifel, ob ich das alles wirklich gut genug mache, ob meine Stunden nicht zu langweilig sind und ob ich mich mit überhaupt Yoga-Lehrerin schimpfen darf, wenn ich mich immer noch nicht in die Wheel-Pose hochdrücken kann und ich den Kopfstand bevorzugt in Nähe der nächsten Wand übe. Und dann noch meine verkürzten Hamstrings, dank denen ich mich in Paschimottanasana immer noch nicht wie ein Klappmesser zusammenlegen kann. Und müsste ich nicht auch viel mehr Patanjalis Sutras mit in den Unterricht einbinden? Auch mal neue Mantras chanten, anstatt immer mit den gleichen daherzukommen?
Jede überwundene Krise bringt neue Erkenntnisse
Zum Glück bin ich eines von diesen “Steh-auf-Männchen”. Heißt also, dass meine “Krisen” meist nicht lange anhalten und meine Gedankengänge dann schnell auch wieder logischer und nicht mehr vom Ego gesteuert werden. Nach einigen ruhigen Sitzungen auf der Yoga-Matte mit Aroma-Ölen und viel Selbstreflektion bin ich dann zu diesen Ergebnissen gekommen, was meiner Meinung nach einen guten Yoga-Lehrer ausmacht:
1. Be yourself – alle anderen sind schon vergeben
Sicherlich keine komplett neue Weisheit aber trotzdem wichtig, sich immer wieder dran zu erinnern. Du kannst nur authentisch rüberkommen, wenn du auch während deinen Stunden du selbst bleibst und nicht versuchst irgendetwas oder -wen darzustellen. Auch mal über sich lachen können, wenn man mal wieder Links und Rechts durcheinander würfelt oder bei Ekpadasana als erstes das Gleichgewicht verliert.
2. Be patient & know your limits
Es sieht wundervoll aus, wenn man seinen Körper in Advanced-Asanas bringen kann und das auch noch so aussehen lässt, als würde es einen absolut keine Anstrengung kosten. Vergiss aber nie, dass erstens noch kein Meister vom Himmel gefallen ist und zweitens jeder Körper einfach komplett anders ist und jeder somit auch seine eigenen Limits hat – auch du! Und nur weil du bestimmte Asanas (noch) nicht perfekt kannst, heißt es noch lange nicht, dass du kein guter Lehrer bist. Mal ganz davon abgesehen, dass wir mittlerweile alle wissen, dass Yoga rein gar nichts mit Akrobatik zu tun hat.
3.Feedback einholen
Die beste Art um zu erfahren wie deine Stunden so ankommen, ist Fragen! Ich hab die Erfahrung gemacht, dass man von den meisten tatsächlich konstruktives Feedback bekommt, was einem wirklich weiterhilft. Oft kann ich manchen schon am Gesichtsausdruck ansehen, wenn ich mal was zu umständlich erklärt habe, oder sie sich noch nicht bereit für bestimmte Asanas fühlen. Wenn ich dann nach der Stunde darauf eingehe hilft es nicht nur mir weiter, sondern die Teilnehmer der Stunden fühlen sich auch ernst genommen und geben dir bestimmt gerne eine Rückmeldung zu deinen Stunden.
Wenn du noch relativ am Anfang deiner “Yoga-Lehrer-Karriere” stehst, dann schau dir doch mal das Buch: Teaching Yoga: Essential Foundations and Techniques an. Mir hat es gerade am Anfang sehr geholfen und ich schaue immer noch oft rein, wenn ich mir bei bestimmten Sachen unsicher bin. Und natürlich die Yoga-Bibel schlechthin: Asana, Pranayama, Mudra and Bandha
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Liebe Denise,
es freut mich, dass du meinem Artikel zum richtigen Zeitpunkt begegnet bist :-)
Wie war denn die Vertretungsstunde?
Liebe Grüße
Jasmin
Per Zufall (oder eben nicht ;-)) bin ich auf deinem Blog gelandet. Und beim stöbern, den Titel dieses Artikels gesehen. Ich habe gerade meine Yogalehrer Ausbildung abgeschlossen und fühle mich genauso!! Ich habe soviele Gründe nicht Yoga geben zu wollen, aber zum Glück hat mich meine Yogalehrerin gebeten ihre Vertretung zu machen und somit springe ich in zwei Tagen ins ‘kalte’ Wasser. Ich freue mich wahnsinnig darauf, bin aber auch sehr aufgeregt. Die ganze Zeit überlege ich mir, was die Schüler von meiner Yogastunde halten werden und ob ich alles auch richtig und korrekt erklären kann. Dann kommt zusätzlich genau die Unsicherheit, dass man selber nicht alle Asanas beherrscht und das macht einem irgendwie unsicher… und obwohl man weiss, dass dies kompleter Unsinn ist, kommt die innere Stimme immer mal wieder hoch. Was ich eigentlich sagen wollte ;-)). dein Artikel kam für mich zur perfekten Zeit! DANKE!!
Schöner Artikel !! Und ich finde gerade als Yogalehrer dürfen wir auch mal Fehler machen und diese annehmen. Auch dann lernen unsere Schüler besonders viel von uns ;) … Annahme – Leichtigkeit – und sich selbst zu lieben :)
danke, danke, danke! habe gerade meine Yoga-Ausbildung abgeschlossen und heute drei Bewerbungen abgeschickt… Meine Motivation war, als mir mal wieder bewusst wurde, wie viel Leiden es auf dieser Welt gibt und das ich jetzt ein Tool habe um mehr Frieden in unsere Welt zu bringen. <3
Love,
Aleks